Wenn Kleinkinder
schlecht sehen
Der Sehsinn bildet sich in den ersten sieben Lebensjahren eines Kindes aus und beeinflusst die motorische und kognitive Entwicklung. Isabella Bachmann, Heilpädagogische Früherzieherin Low Vision, beschreibt, wie eine Sehbeeinträchtigung bei kleinen Kindern erkannt wird und weshalb frühe Therapie am erfolgreichsten ist.

Isabella Bachmann ist Teamleiterin und Heilpädagogische Früherzieherin mit der Spezialisierung Low Vision im Sonnenberg in Baar und in der Zweigstelle in Kloten und Rehabilitationsexpertin für Menschen mit einer Sehbehinderung und Blindheit.
isabella.bachmann@sonnenberg-baar.ch
Tel. 041 767 78 33, www.sonnenberg-baar.ch
In der Heilpädagogischen Früherziehung (HFE) Low Vision in Baar und Kloten unterstützen wir Kinder mit einer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit in ihrer Entwicklung. Das Angebot der HFE ist für die Betroffenen und ihre Angehörigen in der ganzen Schweiz kostenlos und steht den Kindern bis zum Eintritt in den Kindergarten oder je nach Kanton in die erste Klasse offen. Ein Ziel der HFE ist die optimale Nutzung des Sehvermögens. Kinder mit einer Sehbeeinträchtigung benötigen visuell angepasste Angebote, damit sich das Sehvermögen bestmöglich entwickeln kann.
Gleichzeitig kommt der gezielten Förderung der nicht-visuellen Bereiche wie Hören, Tasten, Riechen und Schmecken eine grosse Bedeutung zu, damit sich Motorik, Sprache, Emotionen und das Denken weiterentwickeln können. Blinden Kindern bringen wir Strategien bei und zeigen ihnen geeignete Hilfsmittel. Zudem trainieren wir sie im Umgang, mit den Hilfsmitteln damit sie grösstmögliche Selbstständigkeit erlangen. In der HFE stehen die Bedürfnisse des Kindes und seiner Familie im Zentrum. Da die Lebenskontexte von Familien vielfältig und sehr unterschiedlich sind, erhält jede Familie eine individuell an ihre Bedürfnisse angepasste Begleitung.
Abklärung gibt Hinweis auf Unterstützungsbedarf
Der Begriff Low Vision bedeutet wörtlich übersetzt «geringeres Sehen». Um geeignete Sehfördermassnahmen festzulegen, benötigen wir unabhängig vom Alter eine Low-Vision-Einschätzung sowie einen augenärztlichen Untersuch. Durch die Beurteilung des «funktionalen Sehens» gewinnen wir nötige Informationen, um gezielt helfen zu können. Das «funktionale Sehen» beschreibt die visuellen Fähigkeiten sowie individuelle Voraussetzungen und Umweltbedingungen im Alltag. Messungen der Sehschärfe in der Nähe und der Ferne, des Gesichtsfeldes, der Gesichtswahrnehmung , des beidäugigen Sehens sowie der Wahrnehmung von Licht, Bewegung, Farbe, Kontrast, und Formen geben uns entscheidende Hinweise auf den Unterstützungsbedarf.

Kleinkinder können oftmals noch nicht mit Worten ausdrücken, was sie sehen oder wie sie Dinge wahrnehmen. Um dennoch eine aussagekräftige Einschätzung machen zu können, stellen wir sie vor bestimmte Aufgaben und beobachten sie. Aufgrund der Reaktionen und Handlungen des Kindes erhalten wir einen Eindruck, wie es die visuellen Informationen aufnimmt und verarbeitet, selbst dann, wenn das Kind nicht sprechen kann. Unter Beachtung des allgemeinen Entwicklungsstandes des Kindes klären wir ab, ob Hilfsmittel oder eine angepasste Beleuchtung eingesetzt werden können oder ob wir weitere Fachpersonen beiziehen. Aus der Low-Vision-Einschätzung ergibt sich ein ganzheitliches, auf das Kind zugeschnittenes Förderangebot. Dies kann beispielsweise folgende Aspekte enthalten:
- Sehentwicklung und optimale Nutzung des Sehvermögens durch visuelle Stimulation, Low-Vision-Training und Transfer in den Alltag
- Förderung der Wahrnehmung in den Bereichen Tasten, Hören, Riechen, Schmecken und der Propriozeption (Gefühl der Körperlage)
- Förderung der Grob- und Feinmotorik und der Orientierung im Raum
- selbstständiger Umgang mit Aufgaben im Alltag
- Spielentwicklung
- Kommunikation, Sprachentwicklung
- kognitive, emotionale und psychosoziale Entwicklung
Selbsthilfe «Sehen»
Der Eltern-Treff und der Eltern-Chat richten sich schweizweit an Eltern und Angehörige blinder und sehbehinderter Kinder im Vorschul- und Teenageralter, die sich in Dübendorf treffen (auch Online-Teilnahme möglich) und/oder in unserer Whatsapp-Gruppe austauschen möchten.

Sehbeeinträchtigung bei Kindern erkennen
Beeinträchtigungen des Sehvermögens wirken sich auf die ganze Entwicklung eines Kindes aus. Manche Eltern haben in alltäglichen Situationen wie beim Spielen oder Essen den Eindruck, ihr Kind schaue nichts richtig an, könne keine Gegenstände fixieren. Solche Beobachtungen sind für
Fachpersonen sehr wertvoll. Es lohnt sich, professionelle Hilfe aufzusuchen, wenn ein Säugling oder ein Kleinkind:
- nicht oder sehr stark auf Licht reagiert
- kaum eine Reaktion auf bewegte Objekte zeigt
- wenig Interesse für Bilder, Farben oder Gesichter hat
- selten Blickkontakt sucht und nicht lächelt (ab sechs Wochen)
- Gegenstände und seine Hände nicht anschaut
- die Augen verdreht, ein Augenzittern hat, in den Augen reibt oder bohrt.
- eine verzögerte Entwicklung des Gehens oder Probleme wie häufiges Stolpern oder wiederholtes Anstossen an Gegenstände zeigt.