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Fokus: Kommunikation

Ein iPad als Rede-Ansporn

Die vierjährige Mia Schuler hat eine verzögerte Sprachentwicklung. Mitteilen kann sie sich trotzdem. Gefördert wird die Fähigkeit durch ein Tablet, das nicht nur die Kommunikationskompetenz, sondern auch ihr Selbstbewusstsein steigert. Die Geschichte von Mia ist ein Beispiel dafür, wie Unterstützte Kommunikation eingesetzt werden kann.

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Ein iPad als
Rede-Ansporn

Die vierjährige Mia Schuler hat eine verzögerte Sprachentwicklung. Mitteilen kann sie sich trotzdem. Gefördert wird die Fähigkeit durch ein Tablet, das nicht nur die Kommunikationskompetenz, sondern auch ihr Selbstbewusstsein steigert. Die Geschichte von Mia ist ein Beispiel dafür, wie Unterstützte Kommunikation eingesetzt werden kann.

Mia sprüht vor Energie und nutzt die Gelegenheit, dass ihr Grosi bei ihr in Seedorf UR zu Besuch ist. Die Vierjährige kramt zahlreiche Spielsachen hervor und zeigt ihre Plüschtiere. Mutter Antonia Schuler schaut ihr zu und sagt mit einem Lächeln: «Mia macht das super. Wir dürfen stolz auf sie sein.» Auf den ersten Blick scheint das Mädchen eines zu sein wie viele andere auch in diesem Alter. Sie tollt herum und hat Spass am Spiel. Nur eines fehlt ihr: das Reden. Inzwischen schafft sie es zwar, einzelne Wörter auszudrücken, die ihre Eltern verstehen. Aber sie hat eine verzögerte Sprachentwicklung. Und niemand weiss, wie und ob sie die Lautsprache je vollständig erlernen wird.

Gekonnt kommuniziert mit dem IPad

Drei Monate zu früh geboren

Mitte Februar 2018 kommt Mia im Universitätsspital Zürich zur Welt, drei Monate vor dem errechneten Termin. Eine Schwangerschaftsvergiftung hat einen Notkaiserschnitt erfordert. Für die Familie ist die Frühgeburt natürlich ein Schock. Bald aber überwiegt die Freude, denn das Frühchen wächst und gedeiht. Mia lässt sich zwar viel Zeit, erst mit zweieinhalb kann sie ohne Hilfe gehen, aber die Schulers denken sich nicht viel dabei. Mit der Zeit bereitet ihnen eines allerdings Sorgen: ihre Tochter kann nicht sprechen. Wieso nur? Wo liegt die Ursache? Im Februar 2021 erfolgen die ersten Abklärungen. Die kleine Mia muss sich einer Untersuchung nach der anderen unterziehen lassen. Allerdings können die Ärztinnen und Ärzte nicht abschliessend beurteilen, warum das Mädchen nicht in der Lage ist, sich mitzuteilen. Antonia Schuler sagt: «Wir kennen die Ursache nicht.»

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Fokus: Kommunikation

Unterstützte Kommunikation (UK)

Mitteilen, was man möchte, und von anderen verstanden werden, ist wichtig für ein selbstbestimmtes Leben. Personen, denen dies aufgrund einer Behinderung oder Krankheit nicht ausreichend gelingt, erreichen durch den Einsatz von Unterstützter Kommunikation (UK) oft eine deutliche Verbesserung der kommunikativen Fähigkeiten. Zur UK zählen alle Kommunikationsmittel, die eine fehlende Lautsprache ersetzen oder ergänzen. So etwa Gesten, Gebärden, Fotos, Schrift, Symbole, Piktogramme sowie elektronische Kommunikationsmittel wie Sprachcomputer.

Ein iPad? Die Eltern zögern

Die Eltern suchen nach möglichen Lösungen und melden Mia in der Logopädie an, zudem kümmert sich eine Osteopathin um die kleine Patientin. Sie bringt die Idee auf, sich mit der Anschaffung eines Tablets auseinanderzusetzen. Sie erklärt, dass dies ein geeignetes Werkzeug wäre, um Mias Kommunikationskompetenzen zu fördern. Anfänglich haben die Eltern noch leise Bedenken. Ein iPad – wirkt das nicht eher hemmend auf die Bereitschaft, zu reden? Antonia und Andreas Schuler entschliessen sich dann doch, das Experiment zu wagen. Und heute sagen sie: «Das Tablet ist ein enormer Gewinn für Mia. Und für uns alle.» Mia lernt den Umgang mit einem iPad mini mit MetaTalk ohne Mühe.

Das Gerät ermöglicht ihr, ihre Bedürfnisse mitzuteilen, und es steigert ihr Selbstvertrauen, weil Mia merkt, dass ihre Botschaften ankommen. Oder um es in den Worten ihrer Mutter zu formulieren: «Sie ist regelrecht aufgeblüht und traut sich immer mehr zu. Wir haben nicht zuletzt dank des iPads die Gewissheit, dass die geistigen Fähigkeiten bei ihr komplett vorhanden sind.» Das Tablet funktioniert nach einem einfachen Prinzip: ihr steht ein Grundstock mit rund 5000 Piktogrammen zur Verfügung. Die verschiedenen Kategorien können beliebig erweitert werden. Drückt Mia auf eines dieser Piktogramme, hört sie eine Stimme, die ihr sagt, worum es sich bei diesem Bild handelt. Besonders eine Kategorie hat es ihr angetan: jene, in der sie jedes erdenkliche Verkehrsschild findet.

Die Beraterin zerstreut die Bedenken

Hannah Huttner von der Active Communication AG ist als Beraterin für die Familie Schuler zuständig. Schon bei der ersten Begegnung nimmt sie den Eltern die Angst, dass Mia nur noch das iPad für sich sprechen lassen könnte. «Sie sagte uns: Wenn Mia ein Wort sagen kann, tut sie das auch», erinnert sich Antonia Schuler, «das ist nun tatsächlich der Fall.» Für Hannah Huttner wiederum hat die positive Entwicklung mit Mia zu tun. «Sie ist ein Vorzeigekind», sagt sie. Hilfreich sei auch, dass die Kleine eingebettet ist in ein Umfeld, das offen ist für moderne Hilfsmittel, das motivierend auf Mia einwirkt und das sich intensiv mit ihr beschäftigt. «Es würde nichts helfen, wenn man Mia einfach das iPad in die Hand drücken und sie damit allein lassen würde», sagt Huttner, «es ist wichtig, dass sich speziell ihre Eltern dafür interessieren und sie immer wieder ermuntern.»

Genau das tun Schulers. Ihnen ist es ein grosses Anliegen, dass Mia laufend dazulernt und glücklich wird. «Wohin die Reise führt, wissen wir zwar nicht», sagt Antonia Schuler, «aber wir sind optimistisch. Wenn es gelingt, sie in eine Regelklasse zu integrieren, sind wir glücklich. Wenn nicht, werden wir eine neue Lösung finden, die auf Mia zugeschnitten ist. Alles, was Mia lernt, nehmen wir als Bonus und sind dankbar dafür.»

Noch besucht Mia die Spielgruppe in Seedorf, hat Spass daran und ist ein Kind, das für die Gspänli eines ist wie alle anderen auch. Sie ist in ihrem eigenen Tempo unterwegs und lässt sich nicht hetzen. Und sie ist natürlich stolz auf ihr iPad. Sie hat ein grosses Interesse an Buchstaben und kann sogar ihren Namen schreiben, wenn ihre Mutter ihn diktiert. Zusammen mit ihren Eltern füttert sie ihr iPad jeden Abend mit einem Beitrag zum Tag. Dabei ist eine Art Tagebuch entstanden, das zeigt, welche Fortschritte sie bereits gemacht hat.

Text: Peter Birrer
Foto: Jonas Pfister

Active Communication AG ist eine Tochtergesellschaft der Schweizer Paraplegiker-Stiftung. Active Communication bietet individuelle Beratungen und Hilfsmittelversorgungen für massgeschneiderte Lösungen in den Bereichen Kommunikationshilfen, Computer- und Arbeitsplatzanpassungen sowie Umfeldsteuerungen an.
www.activecommunication.ch

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