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Fokus: Erziehung

Positives sichtbar machen

Jedes Kind hat Potenziale, man muss sie nur erkennen. Darauf auf bauend, kann es weitere Entwicklungsschritte machen. Nach diesem Grundsatz arbeitet Marte Meo und richtet den Fokus dabei auf das Gute, nicht auf die Defizite.

Positives sichtbar
machen

Jedes Kind hat Potenziale, man muss sie nur erkennen. Darauf aufbauend, kann es weitere Entwicklungsschritte machen. Nach diesem Grundsatz arbeitet Marte Meo und richtet den Fokus dabei auf das Gute, nicht auf die Defizite.

Zurlinden

Eva Zurlinden, Naturcoaching, bietet in ihrer Gartenfabrik verschiedene Kurse an, etwa im Bereich «Naturcoaching – Hilfe zur Selbsthilfe». Der Onlinekurs zu ihrem Buch «Ich kann das selbst!» richtet sich an Eltern von Kindern mit Behinderungen. Marte- Meo-Kurse kommuniziert sie auf Anfrage.

Ein Kind, das sich in seinem Umfeld wohl und in seinem Sein akzeptiert fühlt, ist entspannt und eher dazu bereit, Neues zu lernen und Entwicklungsschritte zu machen. Aus dieser Überzeugung heraus hat die Niederländerin Maria Aarts in den 70er-Jahren die Marte-Meo-Methode entwickelt. Diese knüpft an den bereits vorhandenen Ressourcen der Kinder, Jugendlichen und deren Eltern an. Maria Aarts geht immer vom Positiven aus und ist davon überzeugt, dass Kinder mit einer inneren Goldmine geboren werden und in jedem viele Potenziale stecken. Darauf auf bauend, sollen weitere Entwicklungsschritte erfolgen können. Aus dem Lateinischen übersetzt heisst Marte Meo sinngemäss: «etwas aus eigener Kraft schaffen». Die Methode eignet sich nicht nur für junge Menschen, sondern auch für Erwachsene mit Entwicklungsbedarf. Sie wird mittlerweile von einem Netzwerk aus Fachleuten in über fünfzig Ländern angewandt und weiterentwickelt.

Mehr Leichtigkeit im Alltag

Eva Zurlinden, Sozialpädagogin aus Wildegg AG, ist Marte-Meo-Beraterin und Ausbildnerin. Sie hat drei Töchter und immer wieder Pflegekinder. Sie selbst sowie eine ihrer Töchter leben mit einer Cerebralparese. Eva Zurlinden entdeckte Marte Meo vor vielen Jahren, als sie auf einer Wohngruppe für Jugendliche arbeitete. Sie erkannte, dass es ihr hilft, gute Beziehungen zu Kindern und Jugendlichen zu knüpfen. Einige Jahre später, sie war bereits selber Mutter, bildete sie sich zur Marte-Meo-Supervisorin aus. Mittlerweile gibt sie ihr Wissen an Fachleute und Eltern weiter und bietet Beratungen an. Sie sagt: «Marte Meo ist für mich ein Geschenk, da ich mit meinen Kindern bewusst schöne Momente erleben und insbesondere meine Tochter, die Cerebralparese hat, in ihrer Entwicklung unterstützen kann. Marte Meo sorgt auch für mehr Leichtigkeit im manchmal schwierigen und bedrückenden Alltag.»

Kommunikationselemente nach Marte Meo

Nebst der Videoanalyse arbeitet Marte Meo mit Kommunikationselementen. Folgende Tipps von Eva Zurlinden können Eltern auch ohne Vorwissen ausprobieren. Es geht darum, durch Warten, Folgen und Benennen dem Kind Wichtigkeit zu vermitteln:

Warten und folgen: Ein Kind spielt mit seinen Autos. Ich setze mich zu ihm, mache ein freundliches Gesicht und schaue ihm zu. Ich folge der Handlung des Kindes, zeige Interesse.

Effekt: Das Kind nimmt im Spiel wahr, dass ich mich zu ihm setze. Es realisiert, dass es gesehen wird und dass ich mich für es interessiere. Damit erscheint ihm sein Tun richtig und wichtig. Vielleicht blickt es kurz zu mir und wir haben Augenkontakt. Das ist ein schöner Moment, den wir beide geniessen können.

Benennen: Ich schaue weiterhin zu und benenne, was das Kind macht: «Ah, du fährst mit dem roten Auto.»

Effekt: Das Kind wird bestätigt in dem, was es tut. Das stärkt seinen Selbstwert, macht es zufrieden. Es lernt die Worte, die zu dieser Handlung gehören. Und dadurch, dass sich das Kind in seinem Umfeld wohl und in seinem Handeln akzeptiert fühlt, ist es bereit, Neues zu lernen.

Die Kraft der Bilder

Im Zentrum der Marte-Meo-Methode stehen Kurzfilme, die Eltern aufnehmen und die ihre Kinder im Alltag zeigen. Anhand dieser rund zweiminütigen Videos erstellt die Marte-Meo-Beraterin zusammen mit den Eltern eine Mikroanalyse. Dabei hebt sie hervor, welche Momente besonders geglückt sind. Das kann etwa sein, wenn ein autistisches Kind Blickkontakt zu seiner Mutter aufnimmt, oder eine liebevolle Geste eines sonst ruppigen Teenagers. Solche, oft kleine, Situationen gilt es zu erkennen. «Wenn stark belastete Eltern sich und das Kind auf Video sehen und erkennen, dass selbst in schwierigen Situationen durchaus positive Momente vorhanden sind, gibt das ihnen ein gutes Gefühl und Zuversicht», so Eva Zurlinden. «Ich finde in jedem Film gute Sekunden. Selbst Kinder, die ein ausgeprägtes Problemverhalten haben, zeigen immer auch Initiativen, die positiv sind und auf denen man auf bauen kann. Nach dieser Erkenntnis ändern oft auch die Eltern ihr Verhalten und unterbrechen damit eine Negativspirale.»

Weil Marte Meo den Blick ausschliesslich auf gelingende Momente richtet, stehen ebendiese im Vordergrund – nicht die Defizite. Dieser Ansatz motiviert oft alle Beteiligten, die positiven Momente zu wiederholen und sie ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Für Maria Aarts sind diese schönen Situationen enorm wichtig. Sie nennt sie auf Holländisch «Happ Happ» und sagt dazu: «Wie beim Essen mit dem Löffel sollte man auch regelmässig gute emotionale Momente essen. Dieses bewusste Erfahren der eigenen Kompetenz erfüllt das Herz.»

Emotional präsent sein

Gemäss Eva Zurlinden eignet sich Marte Meo für alle Eltern, auch für jene von Kindern mit schweren Mehrfachbehinderungen. In ihrem Buch beschreibt sie, wie eine Mutter nach dem Kommunikationselement «Benennen» von Marte Meo vorgeht: Ein Kind liegt auf dem Bett. Seine Mutter möchte es eincremen. Sie nimmt die Creme in die Hand, zeigt sie ihrem Kind und erklärt, was sie tun möchte. Nun gibt sie ihm den Deckel der Dose in die Hand. Es betrachtet ihn. Jetzt sagt die Mutter ihrem Kind fortlaufend, wo sie es als Nächstes eincremen wird. Eva Zurlinden erklärt: «Eltern verharren manchmal im Schweigen, weil sie gestresst sind, Angst haben oder traurig sind. Wenn aber Eltern mit ihren Kindern sprechen, profitieren beide davon: die Eltern, weil sie beim Benennen, was sie tun, realisieren, dass sie durchaus viel Gutes für ihr Kind tun. Und das Kind, weil es merkt, dass seine Eltern sowohl physisch als auch emotional präsent sind. Das gibt ihm Sicherheit.»

Buch zum Thema
Eva Zurlinden zeigt, wie man die Potenziale des eigenen Kindes entdeckt und wie Eltern mithilfe der Marte-Meo-Kommunikation das Kind dabei unterstützen können, seine Talente zu nutzen und seinen Platz im Leben zu finden.

Ich kann das selbst!
Autorin: Eva Zurlinden
Preis: ab Fr. 39.90
Verlag: www.swiboo.ch

Sich achtsam begegnen

Auch Sabine Walde Brönnimann erzählt von positiven Erfahrungen. Sie ist diplomierte Pflegefachfrau, lebt in einer Patchworkfamilie mit eigenen sowie Pflegekindern. Nach einem Kurs bei Eva Zurlinden greift sie in ihrem Familienalltag gerne auf Marte Meo zurück. Ihr Sohn Aaron ist mit Spina bifida zur Welt gekommen. Er ist 15 Jahre alt und im Rollstuhl sehr selbstständig unterwegs. Wie bei anderen pubertierenden Jugendlichen auch ist die Beziehung zwischen ihm und seiner Mutter manchmal herausfordernd. Er lehnt sich vermehrt gegen sie auf, geht mit seinen Freunden in den Ausgang und will spätabends noch alleine im Rollstuhl nach Hause fahren. «Ich freue mich, dass er so selbstständig ist, und trotzdem habe ich Angst um ihn, wenn er waghalsig ist. Die Marte-Meo-Methoden helfen mir, mit Aaron bewusst zu kommunizieren und herauszufinden, welche Dinge ich ihm tatsächlich zutrauen darf und wo ich ihn unterstützen soll», sagt seine Mutter. Im turbulenten Alltag kommt sie selten dazu, Videos zu drehen. Sie hat aber gelernt, die schönen Augenblicke, die sie mit ihrem Sohn hat, bewusst zu geniessen. Das ist ganz im Sinn von Maria Aarts, die immer wieder betont, man solle die guten gemeinsamen Momente in sich aufsaugen.

Text: Regula Burkhardt Fotos: zVg

Literatur und Info:

Marte Meo, Möglichkeiten der alltäglichen Entwicklungsunterstützung.
Praxisbuch. Verlag Herder 2023
www.martemeo.ch
www.youtube.com: Marte Meo. Die ressourcenorientierte
Entwicklungsmethode von Maria Aarts; AV 1 Pädagogik-Filme, 2017

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